Zum Inhalt springen

Garten-Streber statt Schrebergarten


Aus sprachlichen Missverständnissen Brücken bauen, das können der Syrer Samer Tannous und der Deutsche Gerd Hachmöller auf besondere Weise, wie beide am 26. Februar 2023 bei einer Lesung im vollen Saal des Rathauses in Oyten zeigten.

Eingeladen hatte der Verein KiO (Kultur in Oyten) und über 120 Menschen waren gekommen, Deutsche, Syrer und Eritreer.

Und weil Brückenbauen auch übers Essen geht, versorgte der Verein „Oyten hilft“ das Publikum in der Pause mit kleinen syrischen Köstlichkeiten.

Bei der Lesung sah man viele Gäste staunen und schmunzeln, zustimmen und nachdenken über die kleinen Alltagsgeschichten, mit denen Samer Tannous die Unterschiede zwischen Deutschen und Syrern beschrieb. So hat er nach seiner Flucht im Jahr 2016 schnell erfahren, dass in Deutschland Pünktlichkeit und Planung „oberste Gesetze“ sind. „Deutsche planen alles, auch die Freizeit und Freunde“, lachte er, in Syrien dagegen habe kaum einer einen Terminkalender, erst recht nicht für den Urlaub. Man könne doch nicht schon im Winter wissen, worauf man in den Sommerferien Lust habe.

Samer Tannous hat sich umstellen müssen, auch darauf, dass in Deutschland alles nach Leistung gemessen wird, bei der Arbeit, in der Freizeit, sogar beim Wandern. Alles mache er allerdings nicht mit. So ende sein täglicher „Leistungssport“ nach drei Kilometer spazierengehen und mit dem Putzen könne er sich auch nicht recht anfreunden. Das habe er als Kind auch nicht gelernt. Probleme hatte er auch mit den unterschiedlichen Bedeutungen von „Ja“ und „Nein“ in den beiden Kulturen. „Ein deutsches „Ja“ ist ein Ja“, lernte er schnell und riet seinen Landsleuten im Publikum dringend davon ab, aus Höflichkeit erst mal „nein“ zu sagen, wenn ein Kaffee angeboten wird. „Wenn du „nein“ sagst, kriegst du keinen und wirst bestimmt nicht nochmal gefragt“.

Der Austausch solcher Geschichten bringt Syrer und Deutsche näher. Miteinander zu reden fördert die Integration, davon sind beide Autoren überzeugt.

Samer Tannous hat deshalb direkt nach seiner Flucht begonnen, Deutsch zu lernen, ganz alleine, ohne Sprachkurs. Dadurch konnte er schon nach vier Monaten über seine Beobachtungen und Erfahrungen in Deutschland, dem einst fremden Land, sprechen. Für Erheiterung sorgte auch eine zufällige Wortschöpfungen, die Tannous beim Erlernen der Sprache geschaffen hatte. Eines Tages sprach er nämlich von einem „Garten-Streber“, als er nach dem Wort für Schrebergarten suchte.

Ein Glücksfall, dass er dann Gerd Hachmöller kennenlernte. Der kam mit ihm ins Gespräch, hörte zu, zwischen den beiden entstand eine Freundschaft, später schrieben sie Geschichten über ihre Erfahrungen und hielten sie in zwei Büchern fest: „ Kommt ein Syrer nach Rotenburg“ und „Lebt ein Syrer in Rotenburg“.

Tannous ist heute als Lehrer für Französisch an einer Schule in Scheeßel tätig, Gerd Hachmöller arbeitet beim Landkreis Rotenburg unter anderem in den Themen Migration und Integration und zudem nebenberuflich als Autor und Coach.

In einem ihrer Bücher kommt Samer Tannous zu folgendem Fazit: „Bier hat mir geholfen, in Deutschland anzukommen“.

Maike Otten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert